Dieter Stein
(Selbstportrait aus seiner Zeit beim "Vernünftigsten
Magazin der Welt")
Dieter Stein war in
den 80er Jahren als MAD-Zeichner vor allem für die deutschen Film- und
Fernsehparodien verantwortlich.
Das folgende Gespräch mit ihm führte ich im Dezember 2001. Ich
habe so gut es ging versucht, den Originalton in Schrift umzusetzen und
bewusst nur minimale Kürzungen vorgenommen.
MM: Herr Stein, wie sind Sie zu MAD
gekommen?
Stein: Zunächst einmal bin ich selber MAD - Leser gewesen und
MAD war seinerzeit - so gegen 1980/81 - die Spitze der Deutschen Comikkultur
- Es waren zwar noch einige andere vergleichbare Produkte auf dem Markt,
z.B. KAPUTT, eine billige MAD - Kopie und natürlich TITANIC - das war
es dann aber auch schon.
Ich hatte bereits geraume Zeit für FIX & FOXI gearbeitet, Stories
geschrieben, gescribbelt und Layouts für die Taschenbücher
erstellt, als mir die Idee kam, mich zunächst bei KAPUTT - MAD schien
mir nahezu unerreichbar - als Zeichner zu bewerben. so führte ich ein längeres
Telefonat mit dem damaligen Herausgeber von KAPUTT, und der sagte doch
glatt: "Zeichnen Sie doch mal 1-2 Seiten oder so im Still von MAD und
schicken es uns, dann sehen wir weiter...."
So fing ich an zu zeichnen und noch während der Arbeit daran hab ich
mir gedacht: "Moment mal: wenn ich schon im Stil von MAD zeichne, dann
kann ich es auch gleich an MAD schicken. Gesagt, getan: bekomme ich doch
tatsächlich die Antwort von Herbert Feuerstein !... tja, und dann war
ich dabei - so einfach!
MM: Was war das für eine Geschichte, was Sie da hingeschickt
haben? Können Sie sich noch daran erinnern?
Stein: Das war meine Eintrittskarte - mehr nicht. Sie wurde auch nie
veröffentlicht - einfach nur ein paar Einzelillustrationen, eine
Mischung aus Portrait und Karikatur - ohne Text, Schwarz/ Weiss - typisches
MAD - Design eben.
Im Laufe der Jahre habe ich ungefähr 250 Seiten für MAD
gezeichnet. Und das waren überwiegend Suchbilder-Doppelseiten, die
deutschen Filmparodien, aber auch kleinere Beiträge - alles Mögliche,
was auch immer gerade anlag. Nach einer gewissen Zeit habe ich dann auch
noch die "SPION & SPION" - Beiträge gezeichnet. Der ursprüngliche
Zeichner [Anm. d. R.: Antonio Prohias], war wohl schwer krank, so dass
nichts mehr nachkam. Und da meinten wir (besser: Feuerstein) "Machen
wir eben eigene "SPION & SPION" Geschichten !" Und die
habe ich auch grösstenteils selber entwickelt; was allerdings nicht
sonderlich schwierig war: Irgendwie war es für mich auch eine Art
Brotjob der angenehmeren Art".
Eitelkeitsveröffentlichungen wiederum wie bei den meisten anderen
Magazinen waren es sicherlich nicht - so waren die Honorare bei MAD ohnedies
die besten des gesamten deutschen Comic-Marktes.
MM: Kann man verraten, was es da so ungefähr gab?
Stein: Um es kurz zu sagen: reich werden konnte man damit nicht - für
die Miete hat es gereicht. Für eine Filmparodie ( "Tatort", "Momo",
"Unendliche Geschichte", Lindenstrasse, usw.) mussten pro Seite
durchaus 3 bis 4 Tage (á 10 Stunden) Arbeit einkalkuliert werden - da
gab es dann vielleicht 400 DM /Seite.
MM: An "Verstehen Sie Spaß?" kann ich mich noch gut
erinnern...
Stein: Ja, ich auch. Da waren unglaubliche aufwendige Recherchen nötig:
mit dem Sender kommunizieren, Pressematerial erbetteln, Fernsehzeitschriften
und alte Archive (insbesondere auch mein eigenes) nach Bildern durchforsten,
sowie etliche Videos und Standbilder aufnehmen. Wie gesagt, der Aufwand war
erheblich!
Von der Arbeit bei MAD hätte ich nicht leben können,
nichtsdestotrotz hat es mir anderweitig Türen geöffnet und Wege
geebnet.
In der Folgezeit habe ich sehr viel als Freelancer für Werbeagenturen
gearbeitet, Storyboards und Anzeigen - Illustrationen gezeichnet, aber auch
redaktionelle Beiträge illustriert, und da waren meine 6 Jahre MAD natürlich
immer ein willkommenes Entré.
MM: Wie war das in der Redaktion? Also, ich weiß, es gab keine
richtige Redaktion...
Stein: Doch, natürlich gab es die: Herbert Feuerstein! (lacht)
Nun, diese Vorstellung eines verrauchten Zimmers, mit Alkoholleichen in der
Ecke, sowie der drallen Blondine, die Kopien macht und Kaffee kocht - diese
klassischen Vorstellungen entsprachen absolut nicht der Realität. Überhaupt
gab es so gut wie gar keinen direkten Kontakt unter den Zeichnern. Es lief
alles ausnahmslos über Herbert Feuerstein - telefonisch und per Post ..
Fax oder E,mail gab es ja noch nicht [..]
Anlässlich einer Comic-Messe in Erlangen habe ich überhaupt zum
ersten Mal meine Kollegen kennenlernen dürfen : Ivicar Astalos, Gunter
Baars und natürlich Rolf Trautmann, den kongenialen
Titelseitenillustrator - tja, und das war das Team. [..]
MAD, wie es damals war, hätte gut und gerne bis heute durchhalten können.
Einzig die arrogante Haltung der Macher, jede Form von Eigenwerbung,
Merchandising oder gar Inserate und Anzeigen für überflüssigen
Luxus zu halten, war der Grund für den Niedergang. MAD war wohl das
einzige redaktionelle Magazin , dass es sich leisten konnte, besser: einfach
leistete, komplett auf jede Werbung zu verzichten. Für den Leser natürlich
eine feine Sache, nicht ständig von billiger Reklame belästigt zu
werden, aber aus wirtschaftlicher Sicht ein Debakel und schlussendlich der
Tod von MAD.
MM: Kam diese Anweisung nicht aus Amerika, dass man keine Werbung
machen darf?
Stein: Das ist wohl wahr und war aus deutscher Sicht kaum zu ändern,
aber ein geschicktes Merchandising, sowie gezielte Eigenwerbung für das
Deutsche MAD hätten uns die Amerikaner ja kaum verbieten können.
Der typische MAD - Konsument war bekannt: der 13 - 15 jährige männliche
Gymnasiast - der 16-Jährige dann schon nicht mehr! Das Zielpublikum war
also relativ eng eingegrenzt, auch ein Problem: die Leute haben zwei Jahre
lang MAD gelesen, danach war es vorbei.
Nun mussten praktisch immer wieder neue Leser rekrutiert werden, und das ist
einfach verpasst worden. Wir hatten damals Auflagen von über 200.000
Exemplaren (jedes Heft wurde durchschnittlich von 5 weiteren Konsumenten
gelesen!). Das waren absolute Spitzenergebnisse. MAD war Kult! Und das wäre
dann auch der richtige Zeitpunkt gewesen, in die Zukunft zu investieren,
aber daraus ist ja bekanntermassen nichts geworden.
Tatsächlich aber diente MAD einigen wenigen als Gelddruckmaschine. Die
hatten nichts mit dem Magazin und seiner Idee zu tun. So nach der Devise: "Es
läuft, bringt jede Menge Kohle - dann wird's auch weiter so laufen."
[..] So aber konnte MAD auf Dauer nicht existieren! Ewig schade darum - das
Produkt selber war wirklich gut und witzig.
Wir haben ja durchaus unsere eigene Identität gehabt, ganz im Gegensatz
zu vielen anderen MAD - Magazinen ausserhalb USA.
Ich war auch einmal in der New Yorker MAD Redaktion - die gab es tatsächlich
- und da hab ich die anderen Hefte gesehen, die sonst noch weltweit
produziert worden sind. Und die waren kein Vergleich zu dem, was wir gemacht
haben.
Das muss man Feuerstein unbedingt zugute halten, der hat das Deutsche MAD
durchaus mit einem eigenen Charakter versehen und so erst möglich
gemacht. [..]
MM: Was halten Sie vom neuen DINO-MAD?
Stein: Da kann ich leider nicht viel zu sagen - kenne es nur en
passent - ich müsste es mir direkt mal anschauen, um es zu
kommentieren. [..]
Das ist jetzt das erste Mal seit 13 Jahren, dass ich überhaupt wieder
mal mit MAD in Berührung komme, jetzt durch Sie.
Sicherlich ein bisschen traurig, dass ich von den Zeichnern nie wieder was
gehört habe. Aber so war es durchaus von oben her gewünscht: "Lasst
bloß nicht die Zeichner/ Texter zu viel miteinander kommunizieren."
Selbst die Texte von Gunter Baars, mit dem ich die meisten grösseren
Beiträge gemacht hatte, kamen nicht einmal direkt, sondern via
Feuerstein.
MM: Sozusagen "vorredigiert"...
Stein: Ja, auf Feuerstein - Niveau gebracht. Danach hab ich sie
nochmal überarbeitet und dann ging die Diskutiererei los. Mitunter hätte
ich gerne ein wenig mehr Pfiff hineingebracht - eben auch für 16-jährige...
- ein bisschen gesellschaftskritischer und nicht immer allzu platt. Eine
gute Filmparodie wird nicht schlechter, wenn man sie mit ein wenig mehr
Niveau würzt.
An diese oft stundenlange Telefonduelle mit Feuerstein erinnere ich mich
noch lebhaft, sie waren anstrengend, aber doch durchaus gegenseitig
befruchtend.
Das Ganze ging dann noch zweimal hin und her, und dann habe ich es
gezeichnet und per Eilboten an Feuerstein abgeschickt.
MM: Wie war da so die Zeitspanne? Wie lange dauerte das ungefähr
von der Idee bis zum fertigen Beitrag?
Stein: Die Ideen sind ja meist schon sehr früh entstanden.
Beispielsweise war lange vorm Kinostart der "Unendlichen Geschichte"
klar, dass wir da was machen mussten. Der 3 monatige Arbeitsvorlauf machte
die Sache recht schwierig. So konnte man keine Tagesaktualität
erzielen. Beispiel "Harry Potter" : wer weiss denn schon, ob sich
in drei Monaten überhaupt noch ein Mensch dafür interessiert.
So musste ich Sorge tragen, dass ich den Film noch vor der Premiere zu
sehen bekam und möglichst viel Material im Vorfeld sammeln konnte. Wir
haben uns dann sofort an die Texte gemacht, und mit allem drum und dran war
man nach ca. 4 Wochen fertig. Trotzdem dauerte es dann bis zur Erscheinung
des Heftes noch mal 2 Monate.
So lief das - zumindest bei den aktuellen Geschichten.
Bei der "Schwarzwaldklinik" oder der "Lindenstraße"
war es etwas einfacher, aber nicht wesentlich - musste man doch einen
Handlungsrückstand von 3 Monaten einkalkulieren. Da waren viele
Protagonisten schon längst gestorben. [..]
MM:
Sie haben ja auch mal den Feuerstein in MAD gezeichnet...
Stein: Den habe ich öfter verwurstelt - mit grösstem Vergnügen
- aber er hat nie direkt darauf reagiert. Hat nicht etwa gesagt: "Oh,
das bin ich nicht" oder "Gefällt mir gut" oder so. Er
ist einfach stillschweigend darüber hinweg gegangen.
MM: Tja, was is besser? Wünscht man sich, das er was
sagt, oder doch lieber nicht?
Stein: Eigentlich schon, natürlich, ja. Als Künstler sucht
man ja nach Anerkennung - und sei es die von Feuerstein ... Immerhin hatte
ich mit ihm Telefongespräche, die manches mal über mehrere Stunden
gingen.
MM: 6 Stunden???
Stein: Ja, dabei ging es manches mal recht heftig zu. Wir haben uns
teilweise gestritten wie die Kesselflicker, und dann war wieder ein tiefes
Einverständnis zwischen uns - auch und gerade über MAD -
Angelegenheiten hinaus.
Manches mal haben wir so lange disputiert, bis wir das gesamte Thema
regelrecht zu Brei geredet haben. Es ging ein ums andere mal um des Kaisers
Bart, aber... Ich war halt auch jemand, der sich rein gehängt hat und
mit meinem Engagement wollte ich zumindest meine Beiträge ein wenig
aufpeppen - stand ja schliesslich mein Name drunter.
Manche Gags fand ich einfach zu blöde, die waren einfach nur auf doof
gemacht. Klar, MAD war doof - und dieses Doofe war ja auch Kult. Aber man
kann ja auch mit Slapstick - Humor ein bisschen sophisticated sein. Dafür
habe ich manche Lanze gebrochen, nicht nur am Telefon , einen
dementsprechenden Schriftwechsel gab es natürlich auch. Da haben wir
uns schon was geboten.
Nichtsdestoweniger haben mir die 6 Jahre bei MAD sehr viel Spaß
gemacht. Ich war ja nun wirklich in fast jedem Heft vertreten...
MM: Naja, dadurch, dass das deutsche MAD wirklich was Eigenes auf
die Beine stellen wollte, im Gegensatz zu den anderen, wie Sie vorhin
bemerkt hatten, mussten ja komplette Beiträge, also für deutsche
Serien und so, die mussten ja komplett neu gezeichnet werden. Und ich kann
mich da kaum an jemanden erinnern, der außer Ihnen noch
Fernsehparodien gemacht hat...
Stein: Da war ich der Einzige, das stimmt,... und wir haben uns da -
wie gesagt - auch alle richtig engagiert. Das waren ja dann auch
Heftaufmacher, und das war schon ganz witzig. In den meisten Beiträgen
habe ich mit Vorliebe auch Freunde und Bekannte mit verarbeitet.
MM: Wie fanden die das?
Stein: Die fanden das natürlich toll (lacht). Die
konnten wiederum anderen Bekannten an jedem Kiosk zeigen: "Schau mal,
das bin ich!"
Ja, und wie schon erwähnt, habe ich Herbert Feuerstein auch etliche
Male mit eingearbeitet. Insbesondere bei Suchbildern mit bis zu 120 Personen
gingen einem schnell die Gesichter aus; da musste dann so mancher Gast
herhalten - hat aber auch nicht weh getan!
MM: Sie haben vorhin gesagt, Sie sind mal in Amerika gewesen und
haben die Redaktion besucht. Haben Sie den Oberchef, den Bill Gaines, auch
kennengelernt?
Stein: Nein, den habe ich nicht kennengelernt. Ich wurde lediglich
bei so einem Redaktionsleiter vorgelassen und auch das war sehr
desillusionierend! Die Amis waren in ihrer Arroganz kaum zu überbieten
- getreu der Devise "Wir sind MAD, und alle anderen sind nur unsere
Epigonen und leben von unseren Brosamen". Einzig anerkannt haben die,
dass das deutsche MAD die vergleichbar höchste Eigenidentität
hatte. Das haben die durchaus zur Kenntnis genommen. Aber das war es dann
auch schon!
MM: Die sind ja auch alle mal in Deutschland zu Besuch gewesen...
Stein: Ja, Anfang der 80er Jahre, das war kurz, bevor ich dazu
gekommen bin, habe davon gehört, war aber nicht dabei.
Einen Zeichner hab ich damals besucht, den einzigen, der in New York gelebt
hat, das war Paul Peter Porges - ein nettes Gespräch, aber ansonsten...
Ich hatte halt ein wenig auf MAD typische Atmosphäre gehofft, aber,
wie gesagt, die haben den Rest der Welt nicht so ganz ernst genommen. Die
meisten wussten sicherlich noch nicht mal, dass es überhaupt ein
deutsches MAD gibt - genau, wie viele nicht wussten, dass es ein Deutschland
gibt!
MM: Die Sache mit dem "Spion & Spion": Haben Sie da
irgend einen versteckten Hinweis, dass Sie das sind, der das gezeichnet hat?
Nein.
MM: Der Antonio Prohias, der Original-Zeichner, der hat ja immer
seinen Namen draufgeschrieben, und er hat oben unter der Überschrift
nochmal seinen Namen in Morsecode verschlüsselt. Dann hat Duck Edwing
das mal eine Zeit lang gemacht, und dann gab`s welche, die ohne jegliche
Bezeichnung waren. Kann ich bei denen jetzt davon ausgehen, dass diese von
Ihnen sind?
Stein: Das weiß ich nicht. Also der Kopf, das ist ja Grafik,
die wird in der Redaktion, bzw. in der Litho gemacht. Also wenn ich die
Seiten sehe, kann ich sagen, ob die von mir waren.
MM: Als Laie kann ich das ja nicht unterscheiden, wenn da nicht
irgendein Signum drunter ist.
Stein: Gehen Sie einfach mal davon aus, dass ich die letzten Jahre
alle gemacht habe. (lacht)
Damals war das natürlich geheim - sollte keiner wissen. Aber
mittlerweile ist mir das wirklich Wurscht.
MM: Den Antonio Prohias kannte ja hier auch keiner...
Stein: Ja, eben. Ich kannte ihn auch nicht, muss ich gestehen. Man
hat mich einfach gefragt, ob ich die machen möchte, und da hab ich sie
gemacht. Ich hätte auch Don Martin zeichnen können, das wäre
kein Problem gewesen. Letztendlich muss man sich den Stil nur genau
anschauen, von der Technik her, und dann empfindet man das Ganze nach.
MM: Wann sind Sie bei MAD ausgeschieden?
Das war Ende 1988.
MM: Und was haben Sie dann gemacht? Also, Sie haben ja auch neben
MAD noch andere Sachen gemacht, aber gab`s vielleicht für MAD noch
einen speziellen Ersatz?
Stein: Nun, etwas später hab ich mal einen Comic für die
Mountainbikezeitschrift "BIKE" gezeichnet - ein Jahr lang. Das
waren ganz witzige Sachen, aber leider konnten die Damen und Herren Biker
nicht so richtig über sich selber lachen. Die waren dann in der
Redaktion teilweise richtig angefressen von den Beiträgen, wenn ich
z.B. drei Mountainbiker einen Förster über den Haufen fahren
liess. Ich denke, man muss auch über sich selber lachen können.
Gerade das war ja eine große Kultur bei MAD, auch sich selbst
hochzunehmen! Das war ja das Prinzip: wir machen uns über alles und
jeden lustig, ganz besonders über uns selber. Und da gibt es niemanden,
der in diese Bresche rein gesprungen wäre. Das müsste eigentlich
eine Marktlücke sein, aber vielleicht ist das in unserer Gesellschaft
verankert, dass die Deutschen nicht so wahnsinnig gerne über sich
selber lachen.
Insbesondere auch Kleinigkeiten haben mir Spaß gemacht, kleinste Gags
in die Beiträge einzuarbeiten, die sich dem Betrachter erst nach
mehrmaligem Hinschauen eröffnen - Das war mir ein Bedürfnis. Und
hier muss ich sagen, dass Herbert Feuerstein dies auch immer als erster
erkannt hat. Ein weiterer Grund dafür, dass ich mich trotz des schmalen
Salärs immer so reingehängt hatte.
Feuerstein hat sich auch immer gerne über meine Klofliegen amüsiert,
eine Art Markenzeichen, bzw. Running Gag.
MM: Ich denke, wir sollten noch mal darauf zurückkommen, als
was man Sie eigentlich bezeichnen kann. Wie würden Sie Ihren
Beruf am besten beschreiben?
Stein: Das ist schwierig... Zeichner, Maler, Illustrator. Ich mache
alles mögliche, was mit Zeichnen und Malen zu tun hat. Seit ungefähr
25 Jahren bin Ich jetzt selbstständig und habe in der Zeit so einiges
in dieser Richtung gemacht.
Gerade heutzutage kann man es sich einfach nicht leisten, auf einer einzigen
Schiene zu fahren. Wer auf einem Bein steht, fällt schnell um.
Sicherlich gibt es Kollegen, die 30 Jahre dasselbe machen, einmal einen
Strich antrainiert - und die - immer wieder sich selbst kopierend - dann
doch irgendwie Erfolg haben. Aber das ist einerseits riskant, andererseits
langweilig... für mich zumindest. Ich hab immer versucht, möglichst
viele Techniken auszuprobieren. Zeichnen und Malen - das ist mein Ding. Ich
hab immer versucht, mich beruflich so nah wie möglich meinen künstlerischen
Wünschen anzunähern und trotzdem mein Geld damit zu verdienen. Und
dem nähere ich mich immer mehr.
Ich habe in den Jahren recht viel illustriert. Ob das jetzt Bücher sind
oder Zeitschriften, wie BUNTE, FOCUS, etc... Aber wenn man sich heute die
Zeitschriften anschaut, muss man feststellen, dass kaum noch Illustrationen
in Auftrag gegeben werden.
In den frühen 80er Jahren, und davor noch mehr, waren
durchschnittliche Zeitschriften, wie BRIGITTE, FÜR SIE, STERN, SPIEGEL,
usw; gut und gerne zur Hälfte illustriert. Das ist Vergangenheit. Es
wurde immer weniger, heute sieht man kaum noch etwas gezeichnetes - und
wenn, dann ist es meist eine uralte Lizenz, an der ein Zeichner kaum mehr
verdient.
In den Jahren danach ging es den Fotografen recht gut, weil diese in die
Bresche gesprungen sind. Fortan waren Horden von Fotografen zu
Spitzenhonoraren beschäftigt. Aber das ist jetzt auch vorbei - weil
mittlerweile nur noch über Bildagenturen eingekauft wird - von einigen
wenigen wirklich wichtigen redaktionellen Beiträgen oder ein paar
hochwertigen Anzeigen abgesehen, wird nur noch vorhandenes Material gegen
Lizenzgebühr verwertet.
Es scheint fast unmöglich, mit einem künstlerischen Beruf überhaupt
noch Geld zu verdienen. Und so muss man sich das nehmen, was gerade geht.
Deswegen hab ich nach MAD auch relativ rasch angefangen, für
Werbeagenturen Storyboards zu zeichnen.
MM: Welches Schlussresümee können Sie über Ihre Zeit
bei MAD ziehen?
Stein: Also, ich hab die Zeit sehr genossen. Ich hab mich über
die Maßen für dieses Magazin engagiert, weil ich von dem Produkt
als Ganzes sehr überzeugt war.
Über ein paar Jahre war es eine angenehme und auch befruchtende
Zusammenarbeit und im Nachhinein hat es mir auch insofern genutzt, dass es
mir bei der Aquisition Türen geöffnet hat.
Das Ende von MAD und die Art und Weise, wie es abgelaufen ist, hatte einen
bitteren Nachgeschmack, aber darüber hinaus war es durchgängig
eine gute Zeit, sogar heute noch würde ich für ein Bruchteil
dessen, was ich eigentlich als Stundenlohn veranschlage, für so ein
Produkt wie MAD arbeiten. [..]
So etwas braucht man auch: ein Forum für die eine eigene künstlerische
Identität. Leider wird es in vielen Bereichen immer flacher, die Qualität
lässt halt überall nach. Ein Niveau, wie in MAD seinerzeit
produziert, ist heute gar nicht mehr bezahlbar. Ein guter Illustrator für
eine MAD Titelseite ist unter 3000.- DM nicht zu bekommen. Und selbst das
ist noch der unterste Ansatz. Und damit lässt sich ein solches Produkt
heute nicht mehr finanzieren - bei der Konkurrenz, bei der Schnelllebigkeit
unseres Medienzeitalters.
Selbst, wenn man sich das wünscht, dass ein solches Magazin wieder
aufgenommen wird, funktioniert es nur darüber, dass engagierte Leute,
gute Zeichner, brillante Texter und jemand, der das Ganze zusammenhält,
wie Herbert Feuerstein ehedem, sich wirklich für so eine Aufgabe ein
Bein ausreisst und mehr oder weniger dazu bereit sind, umsonst dafür zu
arbeiten.
Das wäre praktisch die Voraussetzung, so ein Juwel und Kultobjekt
wieder entstehen zu lassen. Und - offengestanden - das sehe ich momentan
nicht. Aber wer weiß...