ABT. WIEDERGEBURT

Der folgende Artikel stammt aus dem Medienmagazin "INSIGHT" vom Juli 2005.


Zeitschriften erleben eine Retro-Welle. Besonders bei Kindertiteln wie Yps, Frösi oder Fix & Foxi setzen die Verleger auf alte Marken: Bekannte Namen lassen sich leichter wieder vermarkten.

Rückkehr der Urzeitkrebse

Allegra und Pardon
Wurden von der Retro-Welle wieder auf den Markt gespült: die Frauenzeitschrift Allegra und das Satire-Magazin Pardon.
Ach, schön war die Zeit: Urzeitkrebse bevölkerten das Kinderzimmer. In Muttis Balkonkästen sprossen die Ostereier-Bäume. Und wenn die blöde Tante kam, wurde auf dem Sessel das Pupskissen platziert. Es war die Zeit von Yps – jener Kinderzeitschrift, der stets irgendwelcher Unsinn beilag, mit dem man Mutti in den Wahnsinn und die Tante in die Flucht treiben konnte. Verharmlosend wurden diese Beilagen Gimmicks genannt. Yps kommt wieder. Das ist die gute Nachricht für all jene Westdeutschen, die ihrer Kindheit nachtrauern. Am 18. August soll das Heft komplett überarbeitet an den Kiosken liegen. „Die Fans haben einfach nicht locker gelassen“, sagt Marion Egenberger, Pressesprecherin beim Berliner Ehapa-Verlag. „Es verging praktisch kein Tag, an dem nicht Briefe, E-Mails oder Anrufe kamen, in denen nach Yps gefragt wurde.“ Was dem ersten Heft als Gimmick beiliegen wird, hält der Verlag aber noch geheim. „Es wird etwas sein, was der Menschheit großen Nutzen bringen wird“, so Egenberger. Damit kann man ein neues Pupskissen wohl ausschließen. Schade. Kurze Totenruhe Mit der Wiederauflage von Yps befindet sich der Ehapa-Verlag in guter Gesellschaft. Immer häufiger versuchen Verleger, Altbekanntes wieder auf den Markt zu bringen. Schon 1998 kam das Comic-Heft Mad wieder heraus. Vor einem Jahr lag das Satire-Magazin Pardon erneut am Kiosk. Und der Frauenzeitschrift Allegra waren im Winter nur wenige Monate Totenruhe vergönnt, bis sich ein neuer Heraus geber fand, der die viel zu früh Gestorbene wieder auferstehen ließ. Marke mit Charme Bei Yps ist das letzte Erscheinen schon etwas länger her. Im Oktober 2000 hatte Ehapa das Heft eingestellt. Zur Begründung hieß es damals, in einer Welt voller Überraschungseier, Wundertüten und Pokémons mache ein Comic-Heft, dessen Held ein kariertes Känguru ist, selbst dann keinen Sinn mehr, wenn es eine witzige Beilage hat. Dass man das heute anders sieht, ist wohl dem Erfolg von Pif Gadget zu verdanken. Das französische Magazin war bereits in den Siebzigern Vorbild für Yps und erlebte vor einem Jahr sein Revival. Die erste Neu-Ausgabe verkaufte sich in Frankreich so gut, dass sogar nachgedruckt wurde. Dass sich der Retro-Erfolg trotz sinkender Geburten zahlen in Deutschland wiederholen lässt, dessen ist sich Egenberger sicher: „Der Markt für Kinderzeitschriften wird völlig zu Unrecht totgesagt. Kinder lesen mehr als früher, und sie fangen zeitiger damit an.“ Mit dem Namen Yps sowie dem Logo aus den Anfangszeiten des Hefts zielt der Verlag allerdings zuerst auf die Eltern. Sie sollen ihrem Nachwuchs das zum Lesen kaufen, worüber sie selbst schon gelacht haben. Für Ehapa hat die alte Marke vor allem den Charme, dass sie nicht erst mit viel Geld bekannt gemacht werden muss. Voll eingeschlagen Aus dem gleichen Grund setzen auch andere auf Retro. Bei Kindertiteln kann man dieses Jahr sogar von einer regelrechten Welle sprechen. Zum Schulanfang wollen die Hamburger Verleger Michael Hoop und Jan Wickmann Fix & Foxi wieder veröffentlichen – es ist bereits der zweite Versuch einer Neubelebung des erfolgreichsten deutschen Comics.
Frösi und MAD
Versuchen den Zielgruppen- Spagat zwischen alten Fans und den Kindern von heute: die Frösi-Chefredakteure Andreas Strozyk und Egge Freygang sowie Jo Löffler und Mathias Ulinski von Mad (v.l.).
Schon Ende April kam Frösi heraus. Die frühere DDR-Zeitschrift, deren Titel sich von dem Pionierlied „Fröhlich sein und singen“ ableitete, erfreute einst 500.000 Kinder mit Beilagen, Bastelanleitungen und Bildergeschichten. Mitunter ging es auch um Lenin oder Erich Honecker. 15 Jahre nach der Wiedervereinigung sind diese ideologischen Einfärbungen allerdings fast vergessen. Als bekannt wurde, dass ein Teil der alten Frösi-Mannschaft eine Neuauflage plant, gab es ein ge radezu euphorisches Medienecho. Spiegel, Welt, Arte, RBB, MDR – Verleger Bernd Wishöth eilte von einem Interview zum nächsten. Nicht zuletzt dank dieser Gratiswerbung war das Heft bereits am ersten Verkaufstag an einigen Kiosken in Sachsen und Thüringen vergriffen. „Das Presse-Grosso gab uns die Rückmeldung, dass noch nie ein wieder aufgelegter Titel so eingeschlagen habe“, freut sich Wishöth. Im Zielgruppen-Spagat Dabei musste der Verleger die Markenrechte noch nicht mal kaufen, denn der Name Frösi war nicht geschützt. „Nach der Wiederver einigung wurde der Verlag ,Junge Welt’ ab gewickelt und die Marke gehörte niemanden mehr“, frohlockt Wishöth. Ob sich das Heft für die kleine Mannschaft lohnen wird, muss sich allerdings noch zeigen. Denn wie alle Retro- Titel für Kinder und Jugendliche versucht auch Frösi einen Spagat. Sie will die alten Fans begeistern, muss aber eigentlich eine ganz neue Zielgruppe bedienen: die Kinder von heute. Den Kritikern entwachsen Im Grunde ist das ein großes Kunststück, behauptet Jo Löffler. Der Journalist ist leidgeprüfter Experte auf dem Gebiet. Nach drei Jahren Unterbrechung brachte Löffler 1998 die Comic-Zeitschrift Mad wieder auf den Markt und bezog dafür ordentlich Schelte. „Grottenschlecht“, „absolut unironisch“ und „viel zu bunt“ – so lautete der Tenor in den Feuilletons von F.A.Z. bis taz. „Die Kritiker waren nun mal aus unserer Zielgruppe heraus gewachsen“, kontert Löffler. „Sie kannten Mad noch als Schwarz-Weiß-Ausgabe, werbefrei und mit dem Humor von Herbert Feuerstein. So etwas funktioniert bei Kindern heute aber nicht mehr.“ Der Panini-Verlag, der Mad herausgibt, verkauft von den reichlich 35.000 Heften im Monat fast 80 Prozent an Jugendliche unter 20 Jahren – also an Leser, die das ursprüngliche Mad gar nicht mehr kennen. Trotzdem verneigt sich die Redaktion jeden Monat noch einmal vor ihren alten Fans. In der Rubrik Classic erscheint ein Comic in Schwarz-Weiß – zur Erinnerung an die guten 80er Jahre, in denen das alte Mad in Deutschland mehr als 300.000 Hefte verkaufte.

YPS
Ob Frösi, Yps oder Fix & Foxi – besonders Kinderzeitschriften und Comics erleben derzeit ihren zweiten Frühling. Dass das gut gehen kann, zeigt ein Blick über die Grenze. In Frankreich wurde Pif Gadget erfolgreich wieder aufgelegt.
Name schon verblasst

An solche Erfolge wieder anzuknüpfen, ist im Grunde unmöglich. Wer eine alte Marke neu belebt, kann vom früheren Glanz profitieren, überstrahlen kann er ihn nicht – egal, ob die Zeitschrift nun für Kinder oder Erwachsene ist. Das spürt der Thüringer Cartoonist Bernd Zeller jedes Mal, wenn er ein neues Pardon veröffentlicht. Einst schrieben für das Satire-Magazin Erich Kästner, Loriot und Herbert Feuerstein. Heute kann sich Zeller keinen einzigen Autoren mit einem vergleichbaren Namen leisten. In seinen besten Zeiten setzte Pardon 300.000 Exemplare ab. Von der Ausgabe im Mai wurden nur noch 15.000 Exemplare gedruckt. „Es ist gerade so kostendeckend“, sagt Zeller. Zwar ist seine Zeitschrift durchaus amüsant zu lesen, aber neben den Satirevorreitern Eulenspiegel und Titanic wird Pardon irgendwie kaum wahrgenommen. Zeller fehlen schlicht die Marketingmittel. Das könnte sich bald ändern: Ab August steigt Verleger Leon Kursawe ein. Vielleicht war aber auch der gute alte Name schon zu verblasst, als das Heft wieder auferstand: 22 Jahre lagen zwischen dem letzten alten und dem ersten neuen Heft. Weniger Zeit ließ Jens Eichler verstreichen. Er kaufte die Rechte an der Frauenzeitschrift Allegra nur wenige Wochen, nachdem der Axel Springer Verlag den Titel eingestellt hatte. Im März startete die Neu-Auflage. Dass Eichler als Ex-Chefredakteur der Sexheftchen Coupé und Blitz-Illu nicht gerade der Idealtyp für eine Frauenzeitschrift ist, sieht man der neuen Allegra durchaus an. Früher war das Heft zart aber kritisch. Heute wirkt es vorlaut aber belanglos.

Sehnsucht nach jetzt

Eichler hat schon bei einer anderen Wiedergeburt mitgewirkt. Vor zwei Jahren wurde er Chefredakteur des neu aufgelegten Herrenmagazins Penthouse. Allerdings überlebte das Projekt nur zwei Ausgaben. Vermutlich war es nicht der letzte Retro-Titel, der deutlich schneller stirbt als sein Original. Trotzdem sind noch einige Wiederauflagen alter Lieblingszeitschriften möglich. Am 15. Juli startet das avantgardis tische Lifestyle-Magazin Qvest neu. Nach einem Jahr Abstinenz versucht der Medikom-Verlag mit 60.000 Heften die Rückkehr ins Leserbewusstsein. Die größte Sehnsucht gibt es in Deutschland vermutlich immer noch nach jetzt – dem einstigen Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung. Doch Verlagssprecher Sebastian Berger winkt ab. „Es gibt keinerlei Planung, das Heft wieder auf den Markt zu bringen.“ Trotzdem rückt der Süddeutsche Verlag die Markenrechte nicht an andere raus. So bleiben wenigstens das Internetportal jetzt.de und die bescheidene wöchentliche jetzt-Seite im München- Teil der Süddeutschen Zeitung erhalten. Vielleicht wird ja doch noch mal mehr draus – wenn die neuen Yps- Leser Teenager geworden sind.

RALF GEISSLER

Ralf Geißler arbeitet als freier Journalist in Leipzig. www.ralf-geissler.de
 
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Medienmagazins "INSIGHT"
© Juli 2005 by "INSIGHT"